"Wer bestellt, muss auch bezahlen"

Gemeinderat Weil am Rhein verabschiedet Haushalt / OB Stöcker: "Wir investieren in Zukunftsfähigkeit"

Weils Oberbürgermeisterin Diana Stöcker. Foto: Stadtverwaltung

"Ein kommunaler Haushalt ist mehr als eine Sammlung von Zahlen und Tabellen auf über 300 Seiten. Er ist ein Abbild der kommunalen Wirklichkeit - ihrer Finanzierung, ihrer Belastungen und ihrer Zukunftsfähigkeit oder anders ausgedrückt ein reales Abbild unserer finanziellen Spielräume und unserer politischen Prioritäten", macht Oberbürgermeisterin Diana Stöcker in ihrer Haushaltsrede deutlich.

Der Gemeinderat Weil am Rhein hat in seiner jüngsten Sitzung der Haushaltssatzung 2026 mit den Teilhaushalten 1 bis 8 und der Haushaltssatzung mit Stellenplan einstimmig zugestimmt. Eine deutliche Mehrheit fand auch die Finanzplanung 2025 - 2029. 
 
Stöcker warf einen "ehrlichen Blick auf die Lage" und unterstrich in ihrer Haushaltsrede: "Die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen ist in einer Weise eingeschränkt, wie wir es in den vergangenen Jahrzehnten nicht erlebt haben. Unsere Einnahmen gehen zurück. Unsere Ausgaben steigen. Die Schere öffnet sich weiter – und zwar rasant."

Die Ausgaben stiegen in Bereichen, die man selbst nicht beeinflussen könne: beispielsweise bei der Kinderbetreuung, hier insbesondere bei den Personalkosten für Fachkräfte, die eine sehr gute Arbeit machen, im ÖPNV durch Auflagen bei der Ausschreibung unserer Buslinien, in der Unterbringung und Integration von Geflüchteten. "Alles Pflichtaufgaben, die wir erfüllen müssen. Wir sind als Stadt Weil am Rhein nicht die Ausnahme in dieser finanziellen Situation – wir sind die Regel."

Die Kommunen würden einen erheblichen Anteil der staatlichen Aufgaben tragen. "Wir sind dafür verantwortlich, dass dieses Land funktioniert – jeden Tag, rund um die Uhr. Aber wir erhalten nur einen deutlich kleineren Anteil am Steueraufkommen. Und immer wieder werden neue Aufgaben an uns übertragen, ohne dass eine ausreichende Finanzierung bereitgestellt wird. Wer bestellt, muss auch bezahlen. Doch genau dieser Grundsatz wird immer wieder unterlaufen", ließ Stöcker wissen.
 
Die Folgen sehe man täglich: "Unsere freien Mittel schrumpfen. Also das, was wir nach Abzug aller Pflichtaufgaben zur Gestaltung des Miteinanders, zur Gestaltung des Zusammenlebens übrig haben. Wir verlieren die Fähigkeit, die Zukunft unserer Stadtinfrastruktur, unserer Sozialräume, unserer Daseinsvorsorge zu gestalten. Wir stehen vor der Frage: Was können wir uns überhaupt noch leisten? Und nicht minder schmerzhaft: Was können wir uns nicht mehr leisten?"

Stöcker sagte, dass man an einem Punkt angekommen sei, an dem Priorisierung keine Option mehr sei, sondern Pflicht. Genau das habe man getan. Ein erster Ansatz des Haushalts 2026 im Juli mit einem Defizit von rund 16 Millionen Euro sei nach intensiven Gesprächen von Verwaltungsspitze und Kämmerei mit den Amtsleitungen auf rund elf Millionen reduziert worden.

Vor den Haushaltsberatungen im Finanzausschuss habe es eine gute Nachricht hinsichtlich der Herbststeuerschätzung gegeben. Und ebenso der Beschluss des Landes Baden-Württemberg, die Kommunen mit einer einmaligen Sonderausschüttung von 500 Millionen Euro insgesamt zu unterstützen. Ergebnis: ein Defizit von rund acht Millionen Euro. Stöcker: "Der Cash Flow lag immer noch bei rund minus 1,2 Millionen Euro, Abschreibungen können schon gar nicht erwirtschaftet werden.
 
Auch aus diesem Grund stimmten die Gemeinderäte nach langer, intensiver Diskussion mehrheitlich für eine Anpassung des Hebesatzes der Gewerbesteuer von 380 auf 400 und sprachen sich zudem für die Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer aus.

Stöcker: "Die Mehreinnahmen durch die höhere Gewerbesteuer und die neue Zweitwohnsteuer machen prognostiziert rund 1,2 Millionen Euro Mehreinnahmen aus. Der Cash Flow läge dann bei einer schwarzen Null und das Haushaltsdefizit konnte so auf rund sieben Millionen Euro reduziert werden, bleibt aber eben weiter deutlich im Minus."
 
Was kann/muss/will sich Weil am Rhein trotz der schwierigen Finanzsituation im investiven Bereich leisten?
"Wir investieren gezielt in Zukunftsfähigkeit. Setzen da Prioritäten, wo jeder Euro langfristig Wirkung entfaltet: in der Bildung, der sogenannten kritischen Infrastruktur, Digitalisierung, Wärmewende, Energie- und Klimaresilien", so Stöcker.
 
In Summe sind in 2026 Investitionen im Finanzhaushalt in Höhe von cirka 29 Millionen Euro geplant. Damit muss aktuell von einer Darlehensaufnahme in Höhe von rund 2,8 Mio. Euro ausgegangen werden. "Die notwendigen Investitionen in der mittelfristigen Planung für die kommenden drei Jahre betragen rund 80 Millionen Euro. Daher ist das Sondervermögen des Bundes - rund 17,7 Millionen Euro für Weil am Rhein für zwölf Jahre - sehr willkommen. Doch deckt es nicht einmal ein Viertel der geplanten, notwendigen Investitionen der kommenden Jahre", erklärt Stöcker. 

Und weiter: "Wir stemmen Tag für Tag Aufgaben, die für das tägliche Leben unverzichtbar sind. Und wir tun es gut und bleiben trotz aller Herausforderungen ein verlässlicher Partner für die Bürgerschaft, Unternehmen, Vereine und das Ehrenamt. Auch wenn wir klar kommunizieren müssen, wo Grenzen erreicht sind, denn diese Unterstützung erzeugt Kosten, die im Freiwilligkeitsbereich liegen. Aber jeder Euro, den wir dort ausgeben, kommt um ein Vielfaches zurück an Leistungen für unsere Stadt, unsere soziale Gemeinschaft, das Miteinander." Daher sei man zwar genau über alle Haushaltsanmeldungen gegangen, habe es aber noch ohne größere Kürzungen in freiwilligen Bereichen wie z.B. Soziales, Kultur, Jugend, Sport geschafft.
 
Zum Anschluss ihrer Rede fordert Diana Stöcker: 
 "Wir brauchen strukturell stärkere Kommunalfinanzen. Kurzfristige Hilfen mögen notwendig sein, aber sie ersetzen keine stabile Grundlage. Ohne strukturelle Unterstützung wird es nicht möglich sein, zentrale städtische Aufgaben auf dem jetzigen Niveau zu halten."
 
"Die Kommunen müssen angemessen am Steueraufkommen beteiligt werden. Eine faire Beteiligung an Umsatz- und Einkommensteuern ist unerlässlich. Ohne ein faires Finanzierungssystem von Bund und Land für die kommunale Familie werden wir uns nicht aus dieser Misere herausarbeiten können."
 
"Neue Aufgaben dürfen nicht ohne Gegenfinanzierung übertragen werden. Der Satz „Wer bestellt, bezahlt“ muss wieder gelten – verpflichtend, rechtssicher, eindeutig."
 
Stöcker: "Wir reden über unsere gemeinsame Zukunft. Über die Zukunft unserer Städte. Über die Lebensqualität der Menschen. Wenn wir die kommunale Handlungsfähigkeit nicht sichern, gefährden wir die öffentliche Daseinsvorsorge und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in demokratische Strukturen. Unsere Kommunen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, damit sie nicht nur überleben, sondern Leben vor Ort gestalten können."
 
 Der Haushalt 2026 ist ein "Ausdruck von Realitätssinn, Verantwortungsbewusstsein und Zukunftswillen und er ist ein Werkzeug, das Handlungsfähigkeit sichert". Er sei sozusagen ein Kompass, der Prioritäten setze, Orientierung biete und die Stadt durch unsichere Zeiten navigiere.
 
"Wir machen uns nichts vor. Unsere Stadt hat Herausforderungen – ja. Aber sie hat auch Stärke, Gemeinschaftssinn und Handlungswillen.  
Wir blenden nichts aus. Wir drücken uns nicht vor Entscheidungen. Wir gehen gemeinsam Schritt für Schritt. Für unsere Stadt. Für ihre Zukunft. Für die Menschen, die hier leben."